Will Ihr Pferd nicht von der Herde weg? So trainieren Sie es!

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Wenn das Pferd nicht von seiner Herde weg will, kann das für viele Pferdebesitzer eine echte Herausforderung sein. Dieses starke Bedürfnis, an den Artgenossen zu „kleben“, ist mehr als nur Ungehorsam – es ist tief im natürlichen Herdeninstinkt des Pferdes verwurzelt. Ein Pferd, das sich ohne seine Gruppe unsicher fühlt, sucht instinktiv Schutz bei seinen Gefährten. Doch was tun, wenn das gemeinsame Training oder das Ausreiten alleine zur Geduldsprobe wird, weil das Pferd partout nicht von der Herde weg möchte? Dieser Artikel beleuchtet die zugrundeliegenden Ursachen dieses Verhaltens und zeigt Ihnen effektive Trainingsansätze, um das Vertrauen Ihres Pferdes zu stärken und es liebevoll Schritt für Schritt an das Alleinsein zu gewöhnen.

Der natürliche Instinkt: Warum Pferde an der Herde kleben

Pferde sind hochsoziale Herdentiere. In ihrer ursprünglichen Umgebung bot die Herde lebenswichtige Sicherheit vor Raubtieren. Jedes einzelne Tier profitierte von der Wachsamkeit und dem Schutz der Gruppe. Dieses tiefe Bedürfnis nach sozialer Bindung und Geborgenheit ist auch bei unseren domestizierten Pferden noch sehr stark ausgeprägt. Wird ein Pferd von seiner Herde getrennt, kann dies Stress und Angst auslösen, da es sich allein potenziellen Gefahren ausgeliefert fühlt. Die Probleme, wenn ein Pferd nicht von der Herde weg möchte, sind also untrennbar mit diesem tief verwurzelten Überlebensinstinkt verbunden.

Mehr als nur Instinkt: Mögliche individuelle Ursachen für starkes Kleben

Neben dem grundlegenden Herdeninstinkt können verschiedene individuelle Faktoren dazu beitragen oder das Kleben an den Artgenossen verstärken:

  • Unsicherheit des Pferdes: Ein generell ängstliches Pferd wird sich noch stärker an der Sicherheit der Gruppe orientieren.
  • Mangelndes Vertrauen zum Menschen: Ist die Vertrauensbasis zwischen Ihnen und Ihrem Pferd nicht stark genug, sieht das Pferd in Ihnen möglicherweise keinen ausreichenden Ersatz für die Sicherheit, die ihm die Herde bietet.
  • Schlechte Erfahrungen: Negative Erlebnisse bei früheren Versuchen, die Herde zu verlassen, oder aggressive Reaktionen von anderen Pferden können das Verhalten negativ prägen.
  • Unklare Kommunikation oder eigene Unsicherheit: Pferde reagieren sehr fein auf unsere Körpersprache und Energie. Wenn Sie selbst zögern oder Unsicherheit ausstrahlen, interpretiert Ihr Pferd dies als Bestätigung, dass die Situation außerhalb der Herde potenziell gefährlich ist und es besser bei der Gruppe bleibt.
  • Zu schneller Trainingsaufbau: Eine zu abrupte oder schnelle Gewöhnung an das Alleinsein, ohne dem Pferd genügend Zeit und positive Erfahrungen zu ermöglichen, kann das Problem verschärfen.
  • Versehentliches Belohnen des Klebens: Wenn Sie nachgeben, sobald das Pferd stehenbleibt, rückwärtsgeht oder wiehert, lernt das Pferd, dass dieses Verhalten dazu führt, dass es wieder näher zur Herde kommt.

Manchmal können auch gesundheitliche Probleme oder Schmerzen eine Rolle spielen. Im Zweifel sollten Sie dies tierärztlich abklären lassen oder einen Pferde-Tierpsychologen konsultieren. Mehr zum Thema Tierpsychologie finden Sie hier (Beispiele beziehen sich auf Hunde, das Prinzip ist jedoch übertragbar).

Das Fundament: Vertrauen und Bindung zwischen Pferd und Mensch stärken

Der absolut wichtigste Schritt, um das Problem des Klebens zu lösen, ist der Aufbau und die Festigung einer tiefen Vertrauensbasis. Ihr Pferd muss lernen und erfahren, dass Sie ein sicherer und zuverlässiger Partner sind, dem es auch ohne die direkte Nähe der Herde vertrauen kann. Konsequenz, Fairness, Ruhe und das Verstehen der Körpersprache Ihres Pferdes sind dabei entscheidend. Verbringen Sie regelmäßig positive Zeit miteinander, auch abseits des reinen Trainings. Ruhige gemeinsame Momente, entspannte Spaziergänge oder einfach nur das Verweilen in seiner Nähe können die Bindung ungemein stärken.

Vorbereitung durch Bodenarbeit: Das Pferd ans Alleinsein gewöhnen

Bodenarbeit bietet eine exzellente Grundlage, um das Vertrauen zu vertiefen und das Pferd schrittweise darauf vorzubereiten, sich von der Herde zu entfernen. Beginnen Sie diese Übungen immer in einem sicheren, eingezäunten Bereich wie einem Roundpen, einer Reithalle oder auf einem Paddock – anfangs in Sichtweite der anderen Pferde. Das Ziel ist, dass das Pferd lernt, Ihnen aufmerksam zu folgen und gestellte Aufgaben zu meistern, auch wenn es dabei allein mit Ihnen ist.

  • Führen auf Distanz: Führen Sie Ihr Pferd auf einem großen Zirkel oder entlang der Begrenzung, sodass es mal näher an die Herde herankommt und sich dann wieder von ihr entfernt. Belohnen Sie umgehend, wenn das Pferd entspannt bleibt und Ihnen auf größere Distanz folgt.
  • Schicken um den Menschen: Übungen, bei denen Sie Ihr Pferd auf einem größeren oder kleineren Kreis um sich herum schicken, fördern seine Eigenständigkeit und das Vertrauen in Ihre Anweisungen, selbst wenn Sie nicht direkt daneben gehen.
  • Kurze Sichtunterbrechungen: Gehen Sie mit Ihrem Pferd für wenige Sekunden hinter einen Sichtschutz (z.B. eine Ecke des Reitplatzes oder hinter ein Hindernis), sodass es die Herde kurz nicht sieht. Bleiben Sie ruhig, kehren Sie ebenso ruhig zurück und belohnen Sie Entspannung. Steigern Sie die Dauer dieser „Trennungen“ behutsam.

Schritt für Schritt: Das gezielte Training gegen das „Kleben“

Das eigentliche Training, um Ihrem Pferd das Kleben an der Herde abzugewöhnen, erfordert viel Geduld, Empathie und einen durchdachten, kleinschrittigen Plan. Hier ist der Schlüssel, das Pferd nicht zu überfordern und positive Erfahrungen zu schaffen.

  1. Beginnen Sie in unmittelbarer Nähe: Starten Sie das Training zunächst nur wenige Meter von der Herde entfernt. Führen oder reiten Sie eine kurze Strecke weg und sofort wieder zurück. Das Pferd soll lernen, dass die kurze Trennung keine Gefahr bedeutet und Sie es sicher zur Herde zurückbringen.
  2. Steigern Sie die Distanz langsam: Erhöhen Sie die Entfernung zur Herde nur in sehr kleinen Schritten. Achten Sie genau auf die Körpersprache Ihres Pferdes. Sobald es Anzeichen von Stress zeigt (Ohren nach hinten, angespannter Körper, schnellerer Atem, Wiehern, Stehenbleiben), sind Sie zu schnell gegangen. Gehen Sie sofort zur Distanz zurück, bei der es sich noch wohlfühlt.
  3. Nutzen Sie positive Verstärkung konsequent: Belohnen Sie JEDEN Schritt weg von der Herde, den das Pferd entspannt und willig macht. Loben Sie mit ruhiger Stimme, streicheln Sie und geben Sie ein besonderes Leckerli, sobald das Pferd einen Fortschritt zeigt oder sich entspannt.
  4. Halten Sie die Trainingseinheiten kurz: Lieber mehrere kurze, erfolgreiche Trainingseinheiten pro Woche als eine lange, frustrierende Session. Ein paar Minuten entspanntes Gehen weg von der Herde sind effektiver als der Kampf über eine weite Strecke.
  5. Umgang mit Widerstand: Wenn Ihr Pferd stehenbleibt oder sich umdrehen will, bleiben Sie ruhig und bestimmt. Üben Sie sanften, aber kontinuierlichen Druck aus (z.B. treibende Hilfen beim Reiten oder sanfter Zug am Seil beim Führen). Lassen Sie den Druck sofort nach, sobald das Pferd auch nur einen winzigen Schritt in die gewünschte Richtung macht. Vermeiden Sie unbedingt harte Konfrontationen, Schimpfen oder Strafen, da dies die Angst und das Problem nur verstärkt. Zeigen Sie Ihrem Pferd, dass Nachgeben zur Belohnung (Druck lässt nach) und zum Ziel führt.

Alleine Ausreiten: Die Königsdisziplin meistern

Das alleine Ausreiten ist oft die größte Herausforderung und erfordert besonders viel Vertrauen und Vorbereitung. Gehen Sie hier besonders behutsam vor und überstürzen Sie nichts.

  • Starten Sie mit Gesellschaft: Beginnen Sie das Alleine-Training im Gelände zunächst mit einem erfahrenen Begleitpferd, das sicher und gelassen ist. Entfernen Sie sich dann vom Stall bzw. der Herde. Lassen Sie den Abstand zwischen Ihrem Pferd und dem Begleitpferd schrittweise größer werden. Irgendwann kann das Begleitpferd vorausgehen, dann zurückfallen, bis es schließlich vielleicht nur noch in Sichtweite bleibt oder sogar umdreht, während Sie noch ein Stück weiter gehen.
  • Wählen Sie kurze, bekannte Strecken: Wenn Sie den ersten Versuch starten, komplett alleine auszureiten, wählen Sie eine sehr kurze und dem Pferd bestens bekannte Strecke, die idealerweise in Sichtweite des Stalls, der Weide oder anderer Pferde bleibt.
  • Strahlen Sie Sicherheit aus: Ihre eigene innere Ruhe und Bestimmtheit sind entscheidend. Atmen Sie tief durch, sitzen Sie aufrecht im Sattel oder gehen Sie entschlossen. Ihr Pferd wird Ihre innere Einstellung spiegeln.
  • Umgang mit Stehenbleiben oder Umdrehen: Bleiben Sie ruhig! Dies ist der Moment, in dem sich Ihr Training auszahlt. Üben Sie sanften, kontinuierlichen Druck nach vorne aus (Beine, Zügelhilfen beim Reiten, sanfter Zug am Führseil beim Führen). Warten Sie geduldig. Der Moment, in dem das Pferd nachgibt und einen Schritt nach vorne macht, muss SOFORT und ausgiebig gelohnt werden (Druck weg, Lob, ggf. Leckerli). Drehen Sie nicht sofort um, aber zwingen Sie das Pferd auch nicht panisch vorwärts. Manchmal hilft es, kurz eine bekannte Übung (wie im Schritt drehen oder kurz anhalten und durchatmen) einzuschieben, um das Pferd abzulenken und ihm einen „Neuanfang“ in der Situation zu ermöglichen. Konsistenz und Geduld sind hier Ihr wichtigstes Werkzeug, um entspannte Spaziergänge zu trainieren.

Fazit: Geduld, Verständnis und Training führen zum Ziel

Ein Pferd, das nicht von der Herde weg will, ist kein stures Problem, sondern ein Tier, das seinen tiefen Instinkten folgt und Sicherheit sucht. Mit einem tiefen Verständnis für seinen natürlichen Herdeninstinkt, dem konsequenten Aufbau einer unerschütterlichen Vertrauensbasis zwischen Ihnen und Ihrem Pferd und einem geduldigen, kleinschrittigen Training können Sie Ihrem Pferd helfen, seine Unsicherheit zu überwinden und Vertrauen in Sie als seinen sicheren Hafen zu entwickeln. Konzentrieren Sie sich auf positive Erfahrungen, feiern Sie jeden noch so kleinen Fortschritt und seien Sie geduldig. Mit der Zeit wird Ihr Pferd lernen, dass es auch außerhalb der Herde mit Ihnen an seiner Seite sicher ist, und das gemeinsame Training sowie das alleine Ausreiten werden zu einer entspannten und erfüllenden Erfahrung für Sie beide.

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